Claude Durix Wien 1996
1959 war ich in Japan, in Obaku-san in der Nähe von Kyoto, im Kloster „Manpuku-ji“, dem „Tempel der Zehn-Tausend Glückseligkeiten“.
Das war vor siebenunddreißig Jahren. Ich bin jetzt fünfundsiebzig, ein dreiviertel Jahrhundert. Und es ist wahr, daß ich über den zurückgelegten Weg staune. Das Zen, die Erinnerung an meinen Meister und das Nyoibo, das er mir übertragen hat, haben mich auf dieser ganzen Reise des Lebens begleitet, ein langer Weg im alten Wald der Zeit, geleitet von einer Intuition und einer Weisheit, die sich immer als von der Vorsehung bestimmt erwiesen.
Für mich ist der Augenblick gekommen, diesen Stab und all das, was damit verbunden ist, mit all den Kräften und all den vergessenen Erinnerungen von jenen, die ihn einmal in den Händen gehalten haben, wiederum weiterzugeben.
Bei den Staffelläufen im Rahmen der Olympischen Spiele wird im Laufe des Wettkampfes ebenfalls ein Stab weitergereicht und immer demjenigen, der im gegebenen Augenblick der Würdigste dafür ist. Manchmal kommt es jedoch vor, daß die Übergabe schlecht abläuft, daß der Stab zu Boden fällt, und dann ist alles verloren.
Ich weiß, das dieser Stab nicht fallen wird. Als ich vor einigen Jahren Karl Obermayer kennengelernt habe, habe ich sofort verstanden, daß niemand besser als er diesem Zengeist, den mir mein Zenmeister weitergegeben hatte, entsprach. Erinnern wir uns: „Sie dürfen uns nicht nachahmen… Zen muß in Europa europäisch sein… Sie müssen es immer wieder neu erschaffen, ohne Kompliziertheit, ohne unnütze Zeremonien….“
Es ist also ohne eine Zeremonie, daß ich Ihnen, lieber Karl, heute diesen Nyoibo übertrage, und ich weiß, daß er in guten Händen ist, und ich weiß, daß ich auf diese Weise immer an Ihrer Seite sein werde. Und Danke Ihnen allen für diese Freundschaft, die Sie mir in so großzügiger Weise geschenkt haben.